Gebläsehalle Duisburg

Im Ruhrgebiet hat der wirtschaftliche Wandel viele Industriehallen verfügbar gemacht. Kraftzentralen, Gebläse und Gießhallen, Gasometer: Volumina, die nach einer nachindustriellen Nutzung verlangen. Die erste Spielzeit des Gründungsintendanten der Ruhr Triennale Gerard Mortiers hatte als Ansatz, alte Industriehallen als Spielorte zu definieren.

Auftraggeber
Landschaftspark Duisburg Nord GmbH

Architekt
Architekten Ramsfjell, Dortmund

Ausführungszeitraum
Planung: 2001-2002
Bauphase: 2002

Baukosten gesamt
(netto)
ca. 10,5 Mio. EUR (davon 7,9 Mio. EUR Bauwerk)

Baukostenanteil theapro
(netto)
BT 1,0 Mio. EUR
BB 0,5 Mio. EUR
MT 0,6 Mio. EUR

Projektleitung theapro
Sebastian Fenk
Reinhold Daberto

Fertigstellung
2002

Leistungen
Bühnentechnik
Bühnenbeleuchtung
Ton- & Medientechnik

Der wirtschaftliche Wandel hat viele Industriehallen Im Ruhrgebiet verfügbar gemacht. In Essen ist die ehemalige AEG-Kanis Turbinenhalle als Colosseum zum Musicaltheater mutiert. Der kraftvolle Stahlbau widersetzt sich dem Glitzerlook, der häufig dieser Spezies als vermeintliche Entsprechung des Publikumsgeschmackes verordnet wird.

Los Angeles an der Ruhr, der Pott muss sich neu erfinden“ betitelte Christof Siemes in der ZEIT seinen Versuch, die Annäherung Gerard Mortiers an die aufgelassenen Zechen und Kokereien für die Triennale NRW zu beschreiben.

Kraftzentralen, Gasometer, Gebläse- und Gießhallen, sind Volumina, die nach einer nach industriellen Nutzung verlangen. Nach der letzten Schicht 1985 wurde auch in Duisburg alles stehen und liegen gelassen. Heute sollen die Hallen identitätsstiftend sein. Sie sind in Duisburg eingebettet in den Landschaftspark der IBA, dem Emscher Park. Diese Hallen wurden auf oft als „Kathedralen der Arbeit“ bezeichnet.

Gerard Mortier wurde bei einer ersten Besichtigungsfahrt nach Duisburg baugeschichtlich konkreter und sprach von einer „Basilika“. „Hallenkirche“ wäre vielleicht präziser gewesen, da die Gebläsehalle einschiffig ist. Zudem zeichnet sich die Halle durch neoromanische Rundbogenfenster an den Längsseiten, umlaufende Ornamente an den Traufen und grazil genietete Stahlfachwerkbinder aus.

Fabriken um die alte Jahrhundertwende waren zwar Zweckbauten, sollten jedoch auch ästhetisch ansprechend sein. Den Charakter dieses Bauwerks zu erhalten, war zentrales Anliegen von Gerard Mortier und damit verbunden auch die Entscheidung, keine Verdunklungsanlagen vor die Fenster zu bauen. Gespielt werden sollte, wenn es dunkelt oder mit restlichem Tageslicht. Die Dimension ist vor allem in der Länge beeindruckend: 50m bei nur 12,40m Breite.

Außen am Gebäude findet sich das vorweggenommene Centre Pompidou mit seinen freiliegenden Luftversorgungsröhren. Diese Struktur erzählt von vergangenen Nutzungen und dient der Luftführung des Theaterraumes teilweise auch heute noch. Innerhalb von zwölf Monaten wurde die Gebläsehalle in einen Aufführungsraum verwandelt.

Das Land Nordrhein-Westfalen hat das Projekt, das insgesamt 9,2 Mio. Euro kostete, aus seinem Stadterneuerungsprogramm finanziert. Geplant wurde der Umbau vom Architekten Gunnar Ramsfjell aus Dortmund in Zusammenarbeit mit KUR und theapro.

Die Aufgabe war nicht unproblematisch, da die gesamte Halle mit ihren im Erdgeschoss auf dem Boden verstreuten Turbinen unter Denkmalschutz gestellt ist. Keine dieser heute noch vier Turbinen durfte demontiert werden.

Die Elektroturbinen erzeugten früher den Hochofenwind, der zur Schmelzung des Roheisens notwendig war. Die einzige Lösung war daher, auf einem ‚höheren Niveau‘ zu konstruieren. Über den Turbinen, Lüfterradgehäusen, Schiebern und Schaltschränken wurde in ca. 3,5 m Höhe eine neue Normal-Null-Ebene als Betontisch eingezogen. Diese stellt die eigentliche Spielplattform dar. Sie ist von den Seitenwänden der Basilika durch eine Lichtfuge von ca. 1,2m abgesetzt. Durch die Belegung mit Gitterrosten bietet sich die Möglichkeit, die unregelmäßigen, mit vielen Vor- und Rücksprüngen und Fensternischen versehenen Seitenwände mit Streiflicht in Szene zu setzen. Zudem bleibt die imposante Raumhöhe von 25m im First nach wie vor erlebbar.

Dieses hochgestemmte Spielniveau – es verbleibt noch immer eine Hallenhöhe von ca. 17 m –gestattet die Besichtigung der darunterliegenden Turbinen im Vorbeigehen. Unter dem Spieltisch entstand ein zweites Foyer, das effektvoll ausgeleuchtet werden kann. Dienende Funktionen wie Besucher-WCs, Künstlergarderoben, ein Proberaum und Schaltschrankräume für die Technik wurden im Untergeschoss untergebracht. Angelagerte Pumpenhäuser, in denen verschiedene Kreiselpumpen für die Wasserkühlung der Hochofen-Ummantelung noch heute zu sehen sind, dienen als Foyer. Die Spielform der Triennale erlaubt Umbauten zwischen den einzelnen Produktionen.

Zwischen den Spielphasen der Triennale wird die Halle weiterhin von der Emscher Landschaftsparkgesellschaft als Aufführungsort betrieben. Gemeinsam mit der technischen Leitung der Triennale NRW, Klaus Hammer und Dieter Reeps, suchte man daher nach einem einfachen, von Stage-Hands handhabbaren System mit ausreichender Flexibilität. Der Tisch als Spielplattform ist mit seinem schwarzeingefärbten Estrich ein bestimmendes Element. Auf dieser Grundfläche werden örtlich veränderbare Bühnenpodeste und Tribünenelemente für die Spielfläche aufgebaut. Diese kann sowohl an einem Ende, mitten in der Halle oder auch mehrfach vorhanden sein. Die Halle fasst rund 500 Besucherplätze. Wenn die Halle in ihrer vollen Länge bespielt wird, können sich die Aufbauten der Tribüne bis auf eine Höhe von 5,4m türmen.

Die Brücken fahren auf der alten, vorhandenen Schienenanlage des Bestandkrans. Diese bilden den Schnürboden im Bühnen-, oder Beleuchterbrücken im Zuschauerraum nach. Begangen werden sie über die die Längswände begleitende Stege. Unterhalb der Stege wurde ein Schienensystem angeordnet, in dem Bandzüge für die Hauptbeschallungslautsprecher bewegt werden können, um deren Position an die Bühnensituation angleichen zu können. Insgesamt sind sechs Stahlbandzüge mit einer Nutzlast von 250 kp und v = 1,2 m/sec für szenische Fahrten und zwölf Kettenzüge doppelstrangig mit einer Nutzlast von 1000 kp im Einsatz, die Steuerung ist von ASM und erlaubt Synchronfahrten nach AK5.

Im rückwärtigen Saalbereich ist eine feste Regie als frei hängende Plattform angeordnet. Die Beleuchtungsanlage weist 320 Kreise 3,0 kVA und 25 Kreise 5,0 kVA auf. Es wurden feste Dimmerschränke dezentral verteilt und neun Anschlussinseln für Dimmerpacs 63 A installiert. Das Steuerleitungsnetz ist ein offen verlegtes CAT5-Leitungsnetz, das sternförmig und unter Berücksichtigung von Längenrestriktionen konzipiert ist, um künftig die Einrichtung eines Ethernet-Netzwerkes zu erlauben. Es wird derzeit jedoch mit DMX-Protokoll betrieben. Die Versatzkästen weisen alle eine Umsetzung der Einzelsteckdosen auf Harting-Multicorestecker auf, die für je acht Kreise à 16 A ausgelegt sind. Ein Drittel aller Versatzkästen weisen Anschlüsse für Leuchtstofflampen auf. Die Tonanlage beinhaltet ein Live-Mischpult der Firma MIDDAS Heritage 1000/32. Gepatcht wird über Ghielmetti-Felder.

Die Lautsprecher von Meyer Sound (CQ-2 für die Längsschnitt-Frontbeschallung, UPM-1B und UPM-2B für die Delaylinien sowie Subwoofer USW-1B) wurden als aktive Komponenten konzipiert, da Verstärkerschränke nicht in einer günstigen Position anzubringen waren. In der ersten Spielphase sah die Gebläsehalle den „Fall der Götter“ nach Motiven des Viscontifilms „Die Verdammten“, weiterhin „Pierrot Lunaire / Quator Pour La Fin Du Temps“ von Arnold Schönberg in einer Umsetzung von Christoph Marthaler und das antike Schauspiel „Bakchen“ von Euripides.

 

Duisburg – Gebläsehalle

Kultur im Industriedenkmal

 

Wir haben hier den modernsten Theatersaal Deutschlands, der trotzdem nichts von seinem industriellen Charakter verloren hat. Damit ist das Ziel der Ruhr-Triennale erreicht, alte Industriekultur mit neuem Theater zu verbinden.“

 

Wie soll ich Ihnen den Eindruck dieser Schlösser aus flüssigem Metall, dieser glühenden Kathedralen, der wunderbaren Symphonie von Pfiffen, von furchtbaren Hammerschlägen schildern, der uns umhüllt. Wie musikalisch das alles ist …

Gerard Mortier

(Intendant Ruhrtriennale 2002-2004)